Übersicht 10 Jahre IKK e.V. – 10 „Plattform-Gesundheit“-Themen
Es geht um gute Versorgung zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, mit messbaren Ergebnissen und zu vertretbaren Preisen. Doch wie sieht die Realität aus? Bleibt die Qualität zwischen Ethik, Medizin und Ökonomie auf der Strecke? Wird sie zwischen Wettbewerb und Geldmangel zerrieben? Diese Fragen diskutierten die rund 150 Teilnehmer der 3. Plattform Gesundheit des IKK e.V. am 26. Oktober 2010 Langenbeck-Virchow-Haus unter der Überschrift „Die Qualitätsfrage – Opfer von Wettbewerb und Geldmangel?“.
Der entscheidende Aspekt dieses Themas, so war man sich in der Diskussion rasch einig, sei Transparenz. Diese sei aber nicht an allen Stellen gegeben. Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V., brachte es auf den Punkt: „Mehr Wissen um die Qualität der Leistung sorgt für mehr Wettbewerb und mehr Wirtschaftlichkeit.“ Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, forderte „mehr Transparenz über die Qualität als Grundlage für eine zukunftszugewandte Bezahlung von Leistungen“. „Qualität und Wettbewerb müssen nicht im Widerspruch stehen“, so das Resümee der Politikerin.
Thomas Bublitz
Hauptgeschäftsführer Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V.
Dr. Dr. Heinz Theo Giesen
Geschäftsbereichsleiter Verträge, Vereinigte IKKDr.
Rainer Hess
Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses
Prof. Dr. Thomas Mansky
Leiter des Fachgebietes Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen an der TU Berlin
Dr. Axel Munte
Vorstandsvorsitzender der KV Bayern
Dr. Willy Oggier
Gesundheitsökonom, Küsnacht/Schweiz
Wolf-Dietrich Trenner
Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss, Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
Annette Widmann-Mauz
Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit
Rolf Stuppardt
(Moderator)
von Dr. med. Axel Munte
„Schlechte Qualität muss früher oder später vom Netz“, so Jens Spahn am 15.3.2018 als neuer Gesundheitsminister in Berlin. Fürwahr, das trifft auch eine Kernforderung vergangener IKK-Veranstaltungen und orientiert sich am Patientenwohl. Die Voraussetzungen dafür zu schaffen bedarf vieler Veränderungen, wovon hier vier wesentliche Punkte angesprochen werden sollen.
Noch fehlt die elektronische Patientenakte mit standardisierten Dokumentationsinhalten z.B. für die Erst-Anamnese, fortlaufenden Ergänzungen weiterer Erkrankungen, Untersuchungs- sowie Operationsbefunden und Medikationen. Das wären oft lebensrettende Informationen. Der Aufwand wäre gering, wie die elektronische, standardisierte Dokumentation des in Bayern 2003 eingeführten Colon-Screenings zeigte. Die Ausweitung auf ganz Deutschland schaffte gesicherte Zahlen und Beweise für den Erfolg dieser Maßnahme. Auf die gleiche Weise wurde das hoch qualifizierte Mammografie-Screening 2004 erst über die KV Bayerns, dann landesweit eingeführt, mit besten Ergebnissen und Daten für die Versorgungsforschung.
Und heute? Wo bleiben die IT-Projekte, die sich bei vielen diagnostischen Maßnahmen wie MRT oder PET CT/MRT oder bei chirurgischen Eingriffen und Chemotherapien anbieten würden? Nur mit einer verbindlichen standardisierten IT-Dokumentation generiert man Daten, die notwendige oder sinnlose Maßnahmen erkennen würden, wie z.B. die Explosion von MRT-Untersuchungen.
Unzählige Gesetze zeigen die Komplexität des Gesundheitswesens und wer die Weichen stellen muss – der Gesundheitsminister! Er bedient sich der Hilfe des untergesetzlichen Normengebers, des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Die ASV (§ 116b SGB V), in Kraft getreten zum 1.1.2012, ist ein Sprung zu mehr Transparenz und Qualität in der Medizin in Deutschland: Ein vom G-BA definiertes Team von Spezialisten versorgt schwerkranke Patienten ganzheitlich. Der Patient steht im Mittelpunkt. Die Dokumentation erfolgt transparent für alle Teammitglieder – hoffnungsvoll bald elektronisch. Bei Tumorpatienten sprengt das Team endlich die Grenze zwischen ambulant und stationär. Bei anderen Indikationen, z.B. Tbc, erfolgt sie oft freiwillig. Im Gegensatz zu regional hervorragenden Qualitätsverträgen, z.B. nach § 140 SGB V, können alle im G-BA beschlossenen Indikationen kollektiv in ganz Deutschland umgesetzt werden, immer interdisziplinär und meist sektorenübergreifend.
Hinter diesem Paragrafen verbirgt sich die „qualitätsorientierte Vergütung – Pay for Performance (P4P)“. Er wird von den KVen ignoriert, was der Gesetzgeber toleriert. Bis 2010 gab es in Bayern viele P4P-Programme, bei der es Vergütungsunterschiede bei Qualitätsmängeln gab. So wurde beim Programm „Sono-Baby“ die Sonografie nur voll vergütet, wenn drei Qualitätskriterien wie Gerätequalität, Geräteprüfung und Fachwissensprüfung bestanden wurden.
Hier endet ein kurzer Blick in Forderungen für einen Qualitätssprung. Minister Jens Spahn wäre in der Lage, einiges davon auch gegen viele Widerstände durchzusetzen.
Dr. Axel Munte ist seit 2011 Partner der LIBERTAMED GmbH sowie Vorstand des Bundesverbands ambulante spezialfachärztliche Versorgung e.V. Zuvor war er neben seiner 30-jährigen Tätigkeit als Gastroenterologe u.a. als Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns tätig. Er ist Träger des Deutschen Qualitätspreises Gesundheit und wurde für sein Engagement von der Bayerischen Staatsregierung geehrt, u.a. für seine Initiative zur Einführung des „Qualitätsparagrafen“ 136 Abs. 4 im SGB V.
In der letzten Legislaturperiode wurde dem Qualitätsgedanken mehr Raum in der Versorgung gegeben. Viele der sinnvollen Ideen, die hinter den Regelungen standen, wurden allerdings zugunsten von Ärzten und Krankenhäusern oder durch halbherzige Qualitätsanforderungen entwertet. Die unternommenen Anstrengungen, Qualitätsaspekten mehr Bedeutung zu geben, sind daher nicht als abgeschlossen zu betrachten und bedürfen weiterer Bemühungen der neuen Bundesregierung.
Die Innungskrankenkassen bekennen sich zum Wettbewerb. Wettbewerb ist aber kein Selbstzweck. Er muss den Versicherten und Patienten zugutekommen, indem die Versorgungsqualität in den Vordergrund rückt. Voraussetzung hierfür ist, dass die Kassen Handlungsspielräume hinsichtlich der Qualität der Leistungen, des Services und der Preise erhalten.