Das Jahr 2025 endet in der Sozial- und Gesundheitspolitik mit vielen Problemlagen und offenen Fragen. Der selbst ausgerufene „Herbst der Reformen“ hat zwar Bewegung gebracht, aber zentrale Strukturfragen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Sicherungssysteme bleiben ungelöst.
Was bleibt? Eine kontroverse Diskussion über die Reform des Bürgergelds. Ein beschlossenes Rentenpaket, über das die Koalition zu zerbrechen drohte. Wenn sich Bund und Länder im Vermittlungsausschuss einigen – auch ein „kleines Sparpaket“, das auf 2026 beschränkt ist und damit nur einen kurzfristigen Entlastungseffekt liefert. Für 2026 zeichnet sich also ab: Es wird ein Jahr der (unliebsamen) Entscheidungen – ob die Politik es will oder nicht.
2026 verspricht auch abseits der Gesundheitspolitik ein turbulentes Jahr zu werden. Fünf Landtags- beziehungsweise Abgeordnetenhauswahlen machen 2026 zu einem gesundheitspolitischen „Superwahljahr“, in dem Mehrheiten fragil sind und unpopuläre Entscheidungen schwerer fallen. Den Auftakt bildet am 8. März die Landtagswahl in Baden-Württemberg, ggf. auch schon mit bundespolitischen Auswirkungen, falls es einen Regierungswechsel in Richtung CDU gibt und dann – so wird gemunkelt – Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) in die baden-württembergische Landespolitik zurückkehren könnte. Ebenfalls im März findet die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz statt und dann gehen im September mit Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gleich drei Bundesländer an die Urnen. Aktuelle Umfragen sehen in den ostdeutschen Flächenländern die AfD bei ca. 40 Prozent, was beschwerliche Regierungsbildungen befürchten lassen.
Parallel dazu steht die GKV weiterhin unter hohem Kostendruck: Der Mitte Oktober vom GKV-Schätzerkreis berechnete durchschnittliche Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent für 2026 war schon bei seiner Festlegung alles andere als belastbar: Die Politik wollte stabile Beitragssätze suggerieren, und das, obwohl zu dem Zeitpunkt der aktuelle durchschnittliche Zusatzbeitragssatz schon bei 2,94 Prozentpunkten lag. Diese Festlegung wurde harsch kritisiert, da der GKV-Schätzerkreis das Auffüllen der durch die Politik abgeschmolzenen Rücklagen der Krankenkassen nicht einpreisen durfte. Somit war davon auszugehen, dass der tatsächliche durchschnittliche Zusatzbeitragssatz jenseits der 3 Prozentpunkte liegen würde. Ohne das sog. „kleine Sparpaket“, das nun auf den letzten Metern offenbar doch umgesetzt wird, würde der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz noch stärker ansteigen müssen. Für die Haushaltsplanung der Kassen eine schwierige Situation. Generell wirft die Situation die Frage auf, wie langfristige Reformen der GKV oder der sozialen Sicherungssysteme insgesamt gelingen sollen, wenn schon Übergangsregelungen scheitern und politische Handlungsunfähigkeit droht?
Die Frage der kurz- und langfristigen Reformen der sozialen Sicherungssysteme und speziell der GKV wird uns insgesamt sicherlich auch über das ganze Jahr 2026 beschäftigen. Die Arbeiten der Bund-Länder-AG „Zukunftspakt Pflege“, der Sozialstaatskommission des BMAS und insbesondere der FinanzKommission Gesundheit werden hierfür entscheidend sein. Der Bericht der FinanzKommission Gesundheit soll im März erste Vorschläge zur kurzfristigen Stabilisierung der GKV-Beiträge ab 2027 enthalten und zudem die im Koalitionsvertrag geplanten Vorhaben, wie z. B. das Primärversorgungssystem, auf ihre Finanzwirkung untersuchen sowie maßgebliche Kostentreiber in den einzelnen Leistungsbereichen identifizieren. So oder so, für die Innungskrankenkassen ist klar: Es braucht einen verlässlichen Pfad, der Beitragssatzsprünge begrenzt und Planungssicherheit für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, die Versicherten und Arbeitgeber, schafft.
Abseits davon und der in die Kommissionen Zukunftspaket Pflege und FinanzKommission Gesundheit delegierten Themen sieht die gesundheitspolitische Agenda für 2026 eher übersichtlich aus. Die letzte Vorhabenplanung des Bundesgesundheitsministeriums datiert schon zurück auf den 16. Juni 2025, ist schon ein halbes Jahr alt. Eine neuere Version liegt derzeit nicht vor. Nur Verweise auf die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag und vage Ankündigungen der Ministerin oder ihrer beiden parlamentarischen Staatssekretäre.
Einigermaßen sicher für 2026 ist ein größerer Gesetzesentwurf zur Einführung eines Primärarztsystems wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. Zwischenzeitlich haben sich hier erfreulicherweise die Ankündigungen eher in Richtung eines auch von uns befürworteten Primärversorgungssystems verschoben, um einen Flaschenhals in der Versorgung durch die (Haus-)Arztzentrierung zu vermeiden. Hierzu hat Bundesgesundheitsministerin Nina Warken auf der Digital Health Conference der BITKOM auch schon ein Digitalgesetz mit Lösungen zur Unterstützung dieses geplanten Primärversorgungssystems im kommenden Frühjahr angekündigt. Inhalte dieses Digitalgesetzes sollen zum einen Lösungen für ein digital gestütztes Ersteinschätzungssystem sein sowie – zum anderen – die Schaffung neuer Prozesse, wie bspw. eine elektronische Überweisung an Fachärzte nach einer (digitalen) Ersteinschätzung. Digitalisierung solle hier aber kein Selbstzweck sein, sondern der Nutzen im Versorgungsprozess immer im Vordergrund stehen. Eine „faire“ und digitale Terminvermittlung – jenseits und diskriminierungsfrei von doctolib soll auch Teil dieses Gesetzesvorhabens sein, so jedenfalls die Ankündigung. Auch zu diesen Themen liegen seitens der GKV schon entsprechende Konzepte und Positionen vor, auf deren Berücksichtigung durch das BMG wir sehr hoffen. Neben diesem Digitalgesetz hat Bundesgesundheitsministerin Warken auch noch ein zweites Digitalgesetz angekündigt, das insbesondere eine stabilere Telematik-Infrastruktur (TI) und somit auch Stabilität für Anwendungen wie die elektronische Patientenakte (ePA) schaffen soll. Am Ende des Prozesses soll dann die schon länger versprochene TI 2.0 stehen. Dieses Gesetz könnte dann eine Neuauflage der Diskontinuität anheimgefallenen Gesundheits-Digital-Agentur-Gesetzes (GDAG) aus dem Jahr 2024 sein.
Darüber hinaus steht für nächstes Jahr auch noch der Abschluss einiger Gesetzesvorhaben auf der gesundheitspolitischen Agenda, allen voran das Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG), die Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes sowie die Apothekenreform. Weiterhin offen ist die Zeitschiene für ein Gesetz zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen sowie eine Novelle zum Patientenrechte- oder Präventionsgesetz.
Aber aller Voraussicht nach wird das kommende Jahr primär von der Diskussion um eine Stabilisierung der Finanzen in der Kranken- und Pflegeversicherung und entsprechender Reformvorschläge dominiert. Für den IKK e.V. lautet die Leitfrage 2026 deshalb: Wie lassen sich Solidarität, Selbstverwaltung und nachhaltige Finanzierung in Einklang bringen? Die Innungskrankenkassen stehen dabei für das Zielbild eines solidarischen, selbstverwalteten und nachhaltig finanziertem Gesundheitswesen für eine qualitativ hochwertige Versorgung ohne Leistungskürzungen. Hoffen wir, dass auch Bundesgesundheitsministerin Warken ein solches Zielbild vor Augen hat und sie dieses durch Gespräche und Austausche auch gegen Widerstände durchsetzen kann. Denn schon Seneca wusste „Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige". Die Zeit für nachhaltige Reformen im Gesundheitswesen drängt! Die erste Kalenderwoche 2026 beginnt schon am 29. Dezember 2025.
