Gestaffelter Mutterschutz: geringe Kosten, große Wirkung

Beim gemeinsamen parlamentarischen Abend am 12. März 2024 von Natascha Sagorski (Familie sind alle) und den Innungskrankenkassen in Berlin legten die Veranstalter dar, wie mit dem Gestaffelten Mutterschutz die Situation von Frauen nach Fehlgeburten verbessert wird, wie er konkret umgesetzt werden kann und was er kosten würde.

Berlin, 13. März 2024 - Aktuell steht Frauen nach Fehlgeburten kein Mutterschutz zu, dies wollen die Bundestagsfraktionen der Ampel sowie der Union und der Gruppe Die Linke auf Initiative einer Petition der Betroffenen Natascha Sagorski ändern. Die Innungskrankenkassen unterstützen die Forderung nach einem Gestaffelten Mutterschutz. Sie haben nun Berechnungen vorgelegt, wie hoch die Kosten für eine solche Staffelung wären.

Hans Peter Wollseifer, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. erläutert:  “Selbst wenn 100 Prozent der Betroffenen den Mutterschutz in Anspruch nähmen, käme auf die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bei der Umsetzung eines gestaffelten Anspruchs Mehrkosten in Höhe von ca. 5 Millionen Euro zu. Wenn aber nur 50 Prozent der Betroffenen sich für den Mutterschutz entscheiden, was wohl eher realistisch ist, sind es gkv-seitig dann noch 2,5 Millionen Euro. Auf die Umlagekasse kämen in diesem Fall dann noch 12,5 Millionen Euro zu. So oder so ist das ein Kostenbetrag, der angesichts der Bedeutung des Themas vernachlässigbar ist. Uns geht es um die Beseitigung eines aus unserer Sicht grundsätzlichen Missstandes. Das Thema "Fehl- und Totgeburten" darf kein gesellschaftliches Tabu mehr sein.”

Natascha Sagorski, die Initiatorin des Gestaffelten Mutterschutzes nach Fehlgeburten betont die arbeitsrechtliche Relevanz: „Die Berechnungen der IKK haben ganz klar gezeigt, dass der Gestaffelte Mutterschutz, wie wir ihn fordern, allenfalls marginale Kosten verursachen würde. Stattdessen wäre er ein bedeutender arbeitspolitischer Schritt, um die Diskriminierung von Frauen in der Berufswelt zu reduzieren und Betroffenen ein Stück Selbstbestimmung zurückzugeben. Wir können nicht immer von Fachkräftemangel sprechen und dabei außer Acht lassen, dass wir für eine bessere Vereinbarkeit die Arbeitsbedingungen für Frauen in allen Lebenssituationen verbessern müssen.“

Das hat auch die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Dr. med. Jessica Bärnreuther, eine der Beschwerdeführerin der aktuellen Verfassungsbeschwerde gegen das Mutterschutzgesetz selbst erlebt: “Nachdem meine Gynäkologin mir mitteilte, es gäbe keine medizinische Indikation für eine weitere Krankschreibung, fühlte ich mich vor den Kopf gestoßen, nicht verstanden. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht wieder normal funktionierte, wie ich es anscheinend sollte. Heute weiß ich, dass es nicht an mir lag.”

Die Innungskassen haben das Problem ebenfalls identifiziert und rufen zu einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt auf, um diesen Missstand anzugehen.

Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. dazu: “Wir Innungskrankenkassen beschäftigen uns schon seit längerem mit dem Thema Mutterschutz, und zwar unter verschiedenen Aspekten: Zum einen geht es uns um die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt Letzteres ist für ein selbstverwaltetes Gesundheitswesen wichtig. Zum anderen geht es um die konkrete Ausgestaltung des Mutterschutzes und eines Nachteilsausgleichs. Als Gesellschaft müssen wir alles dafür tun, Entscheidungen von Frauen für ein Kind zu unterstützen. Es ist von großer Bedeutung, dass Frauen, die eine Fehl- oder Totgeburt erleben, bestmöglich unterstützt werden. Das kann aber nur über einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz gelingen. Hier sind nicht nur die Krankenkassen in der Verantwortung.”

Auch Prof Dr. Jörg Loth, Vorstandsvorsitzender der IKK Südwest, steht an der Seite der Betroffenen: „Die aktuelle Rechtslage zum Anspruch auf Mutterschutz beruht auf einer willkürlichen Festlegung, was zu Ungleichbehandlungen von Frauen nach einer Tot- oder Fehlgeburt führt: die Anerkennung des Mutterschutzes darf nicht an einer starren Gramm- und Wochenzahl festgemacht werden und damit festlegen, wer sich als Mutter fühlen darf und wer nicht. Diese Ungerechtigkeit gilt es zu beseitigen Eine Auswertung unserer Versichertendaten ergab, dass über 60 Prozent der Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, im Anschluss daran psychisch erkranken und damit länger ausfallen. Wenn wir annehmen, dass 70 Prozent der Frauen den gestaffelten Mutterschutz in Anspruch nehmen, würde die finanzielle Mehrbelastung rund 20,9 Millionen Euro betragen. Zum Vergleich: Dies würde lediglich einem Anteil von 0,005 Prozent des Bundeshaushaltes entsprechen.”

Die anwesenden Bundestagsabgeordneten lobten einstimmig das Engagement von Sagorski, dieses Thema aus der Tabuzone zu holen. Franziska Krumwiede-Steiner von Bündnis 90 / Die Grünen ist wichtig, “dass Frauen, die so etwas individuell durchleben, mit individuellen Maßnahmen reagieren können". Die konkrete Ausgestaltung eines möglichen Gesetzentwurfs auch verbunden mit der Frage des Kündigungsschutzes, müssen wir in einem parteiübergreifenden Fachgespräch besprechen. Das ist nicht einfach, aber genau das versuchen wir. ” Melanie Bernstein von der CDU ist guter Dinge, dass die Bundestagsfraktionen die noch offenen Fragen klären und das Gesetz gemeinsam auf den Weg bringen. Sie betonte aber auch das Thema Wahlfreiheit. “Wenn Frauen eine Familie planen, dann sollten sie das nicht öffentlich tun müssen. Es sollte auch weiterhin  die Möglichkeit einer Krankschreibung geben.” Gökay Akbulut von den Linken kritisiert das schleppende Vorgehen bei der Erweiterung des Mutterschutzes und fordert eine schnelle Umsetzung. Sarah Lahrkamp von der SPD: “Wir als SPD nehmen uns dem Thema an, haben mit Betroffenen und Experten gesprochen und sind uns fraktionsübergreifend einig, das Thema rechtlich und politisch jetzt so ausgestalten, dass wir die Rahmenbedingungen für Frauen verbessern können.” 

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Der IKK e.V. ist die Interessenvertretung von Innungskrankenkassen auf Bundesebene. Der Verein wurde 2008 gegründet mit dem Ziel, die Interessen seiner Mitglieder und deren 5,1 Millionen Versicherten gegenüber allen wesentlichen Beteiligten des Gesundheitswesens zu vertreten.