Die Innungskrankenkassen haben in der Mitgliederversammlung des IKK e.V. mit Bedauern festgestellt, dass der am Dienstag bekanntgewordene Referentenentwurf eines „Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz – GKV-FinStG) aus dem Bundesgesundheitsministerium zurückgezogen wurde. Auch wenn der im Referentenentwurf angedachte Bundeszuschuss aus Sicht der IKKn nicht ausreichend gewesen wäre, so sind mit den anderen angedachten Maßnahmen im Entwurf – etwa der Bezahlbarkeit der Arzneimittelversorgung – erste gute Ansätze zur Stabilisierung der GVK-Finanzen erkennbar gewesen.
„Die im Referentenentwurf vorgesehene Erhöhung des Bundeszuschusses ab 2023 um fünf Milliarden auf jährlich 19,5 Milliarden Euro wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, auch wenn der eigentliche Finanzbedarf deutlich höher liegt“, betont Hans Peter Wollseifer, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. Er befürchtet allerdings dass die Maßnahmen angesichts der unklaren Belastungen des Gesundheitswesens durch den Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie nicht ausreichen werden, den Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes zu verhindern. Kritisch sieht Wollseifer, dass das vorhandene strukturelle Defizit, das sich auch aus den Gesetzesmaßnahmen der vergangenen Legislaturperiode ergibt, erneut durch einen Rückgriff auf Liquiditätsreserven der Kassen gedeckt werden soll. „Schon mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz ist auf das Vermögen der Krankenkassen zurückgegriffen worden“, stellt Wollseifer fest.
Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V., äußert sich erfreut, dass der Referentenentwurf umfängliche Regelungen vorsieht, um die Bezahlbarkeit der Arzneimittelversorgung sicher zu stellen. „Zur Stabilisierung der Arzneimittelausgaben in der GKV ist es sinnvoll, dass das Preismoratorium über den 31. Dezember 2022 hinaus um weitere vier Jahre verlängert wird. In der Frage der rückwirkenden Geltung des verhandelten Erstattungsbetrags wäre eine Wirkung ab dem ersten Tag der Zulassung besser. Die jetzt vorgesehene Wirkung ab dem siebten Monat ist strategieanfällig“, kritisiert Müller. Er begrüßt aber, dass die Umsatzschwelle für Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens für die Nutzenbewertung auf 20 Millionen Euro reduziert wird. „Damit wird ein Schlupfloch geschlossen, um an der Nutzenbewertung vorbeizukommen“ führt Müller aus, der ansonsten den Vorschlag, im Arzneimittelbereich demnächst den ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden, befürwortet.
Beide Vorstandvorsitzende des IKK e.V. stellen aber auch klar: So gut die ersten Schritte im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz auch sein mögen, dies entlässt die Bundesregierung nicht, eine nachhaltige, umfassende Finanzierungsreform anzupacken und zum Beispiel die Finanzverantwortung für zu Unrecht auf die Sozialsysteme verlagerten Ausgaben zu übernehmen. „Alleine durch die Anhebung der Beiträge für ALG-II Bezieher auf ein angemessenes Niveau würden der GKV jährlich zehn Milliarden Euro zukommen“, führen die Vorstandsvorsitzenden aus und verweisen auf den Koalitionsvertrag.
Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V., pflichtet den Vorständen bei: „Eine dauerhafte Stabilisierung der GKV-Finanzen muss auf andere Beine gestellt werden. Wir haben im Vorfeld der Bundestagswahl dazu Vorschläge erarbeitet. Die Innungskrankenkassen sehen die Lösung etwa in der Einbeziehung von Finanzierungsquellen, die über das bisherige Lohnkostenmodell hinausgehen und auf geänderte Voraussetzungen in der Arbeits- und Erwerbswelt eingehen. Gern stehen wir hier der Politik als Gesprächspartner zur Verfügung.“